Er bedankte sich für die Einladung und meinte „für Informatiker ist es immer merkwürdig, wenn sie Vorträge halten, ohne dass ein Projektor läuft„. Dann griff er zu seinen nicht virtuellen Karten und sprach zuerst über den Einfluss sozialer Medien auf Communities.

Communities waren ursprünglich Dorfgemeinschaften mit entsprechend engen sozialen Kontakten und Bindungen. Auch eine Verbindung ist eine solch traditionelle Struktur mit klarer Mitgliedschaft, Mitgliedern aus ähnlichem sozialem Status, gemeinschaftlichen Interessen, emotionalen Bindungen und einer definierten Verhaltensnorm oder Etikette. Auch geografisch ist die Community eher lokal definiert.
Virtuelle Communities unterscheiden sich in etlichen Punkten. Sie können global sein, in der Regel kann jeder Beliebige Mitglied werden und sich wieder zurückziehen. Nur wenige Normen sind vielleicht in Form einer Netikette vorhanden und Interaktionen verlaufen sehr rasch. Und natürlich kann ein Nutzer vorgeben, jemand zu sein, der er gar nicht ist. Dies ist im realen Leben weitaus schwieriger, da hier non-verbale Kommunikation ein tragendes Element für die Einschätzung einer Person ist.
Anschliessend ging Professor Handschuh auf sein Forschungsgebiet „Data Science“ ein. Hier geht es darum, aus grossen Datenmengen interessantes Wissen zu extrahieren, wobei sein Fokus auf Textdaten liegt.
Wenn viele Texte einer Person vorhanden sind, so kann man über diese mit statistischen Methoden und maschinellem Lernen ein ziemlich genaues Big Five Profil erstellen.
Ein Teilnehmer frage dazu, ob dieses Profilieren auch mit Texten auf Schweizerdeutsch funktioniere. „Es funktioniert, aber momentan noch nicht so gut, da es zu wenig Daten hat.“ Also ist vermutlich Wallischerdeutsch (und als gebürtiger Appenzeller würde ich auch diesen Dialekt ins Auge fassen) die ultimative Waffe, unerwünschte Profilierung auszuhebeln…
Wird es denn einmal eine virtuelle A.V. Amicitia geben? Wohl kaum, zumindest nicht in absehbarer Zeit. Hierzu meinte Professor Handschuh:
Beziehungen sind wichtiger als das Medium. Die Bedeutung eines persönlichen Kontaktes kann man nicht ersetzen. Face to Face ist essentiell.

Unsere hochwohllöbliche Verbindung A.V. Amicitia San Gallensis lebt durch persönliche Kontakte, welche für das Schaffen von Freundschaft und Vertrauen unabdingbar sind. Natürlich können die in der realen Welt entstandenen Bindungen durch soziale Netzwerke weiter erhalten und gepflegt werden, auch über geografische Grenzen hinaus, wie dies ja mit etlichen im Ausland wohnenden Amicitianern der Fall ist. Aber wahre Amicitianer-Freundschaft entsteht nur durch gemeinsam Erlebtes wie zum Beispiel in Fuxenstunden, Kommersen, Altherrenfahrten, Prüfungsvorbereitungen, Seniorentagen oder eben Professorenstämmen.

Lieber Herr Professor Handschuh, vielen herzlichen Dank für Ihre Ausführungen. Wir haben Ihre Gesellschaft sehr genossen!
Vivat – Crescat – Floreat